Ich habe einen zweiteiligen Blog auf der ISACA Website mit dem Titel „IT Governance für Dummies“ (Teil 1, Teil 2) geschrieben. Das ist meine „ITIL 4 Dummies“ Fortsetzung. Ich meine das auf keinen Fall abwertend, es ist vielmehr ein Versuch, uns zum Denken anzuregen und einige sinnvolle Schlussfolgerungen darüber zu ziehen, wie wir ITIL anwenden. 

(Originalartikel von Paul Wilkinson, übersetzt von Amelie Drexler (Dezember 2020))

ITIL 4 Dummies erklärt 

Ich denke das Wort „Dummie“ sollte zum ITIL Lexikon hinzugefügt werden – mit einer Beschreibung, was wir damit meinen, wenn wir all diese Dummies da draußen beschreiben… Hoffentlich nicht Sie! 

  • Dummie (Nomen) – eine dumme oder einfältige Person 
  • Einfältig (Adjektiv) – wenig Nachdenken oder Urteilsvermögen demonstrieren 
  • Urteilsvermögen (Nomen) – Die Fähigkeit, durchdachte Entscheidungen zu treffen oder zu sinnvollen Schlüssen zu kommen.  

Mit der ganzen Zeit, Mühe und Geld, das für ITIL in der Vergangenheit investiert wurde, konnten nicht immer die erhofften Gewinne erzielt werden. Hier findet sich die erste Andeutung der Verbindung zum Wort Dummie – mit zu wenig Nachdenken oder Urteilsvermögen bezüglich der Frage, was das Problem ist, bei dem man sich erhofft, dass ITIL es lösen würde; oder bezüglich des Wertes, der sich daraus erhofft wurde.  

Als nächstes kommt das Wort „Wert“ 

Es ist das „Elefant im Zimmer“ Wort – jede:r verwendet es, aber es bedeutet für jede:n etwas andres. Niemand mag wirklich, es zu hinterfragen. Es ist ein bisschen so wie bei „Des Kaisers neue Kleider“. Der Kaiser bekommt einen neuen Anzug. Die Hersteller sagen, dass die Kleider unsichtbar für jene sind, die für die Position ungeeignet, dumm oder inkompetent sind – tatsächlich haben sie aber gar keine Kleidung hergestellt. Niemand wagt es zu sagen, dass der Kaiser nackt ist! Bis ein kleiner Junge darauf hinweist: Er trägt ja gar keine Kleidung!“ 

Wert ist dasselbe, niemand mag als „ungeeignet, dumm oder inkompetent“ gesehen werden. Also erklären wir alle, dass ITIL uns helfen wird, Wert zu liefern, bis jemand die Frage stellt: „Ja, aber was ist der Wert!?“ 

„…Hmm gute Frage, wir haben darüber nicht wirklich nachgedacht!“ 

Somit wird ITIL zum Selbstzweck – obwohl es eigentlich ein Hilfsmittel zur Erreichung von Zielen sein sollte. Ein anderes Symptom unseres Mangels von durchdachten Entscheidungen ist die Definition eines Services nach ITIL. Ich habe in den letzten 15 Jahren mehr als 40.000 Menschen in Workshops und Konferenzen gefragt:  

  • „Wie viele machen ITIL?“ – normalerweise um die 85% 
  • „Wie viele kennen die Definition eines Service?“ – immer weniger als 5%!! 

„…Aber das ist nicht wichtig!“ sagen viele  

Wirklich? 

Die Definition von einem Service ist heute (in ITIL 4): 

Ein Mittel zur Ermöglichung der Schaffung von gemeinsamem Wert (Value), indem die Ergebnisse (Outcomes) erleichtert werden, die die Kund:innen erreichen wollen, ohne spezifische Kosten (Costs) und Risiken (Risks) verwalten zu müssen“ (VOCR). 

Haben Sie wirklich über die VOCR nachgedacht, die Sie zu erreichen erhoffen? 

Haben Sie sich darüber im Unternehmen abgestimmt? Kennen Sie den Wert, den die Investition in ITIL bringen soll?

Haben Sie bezüglich deTeile von ITIL, die am besten für die Bedürfnisse des Unternehmens geeignet sind (und natürlich bezüglich des Wertes, den ein ITTool bringen wird) durchdachte Entscheidungen getroffen und sinnvolle Schlüsse darüber gezogen? 

Wenn Sie die Definitionen von Wert, Outcome, Kosten und Risiken nicht kennen (und Sie daher diese Wörter wahrscheinlich auch nicht mit Ihren Kund:innen definiert und abgestimmt haben), wie können Sie in diesem Fall messen, dass Sie etwas bekommen, von dem Sie nicht einmal wussten, dass Sie es sich erhofft haben? 

Paul Wilkinson

Paul Wilkinson ist seit mehr als 25 Jahren in der IT-Branche tätig. Er verfügt über einen breiten Hintergrund in den Bereichen IT-Betrieb, IT-Management sowie Produktinnovation und -entwicklung. Er war Projektteamleiter bei der ursprünglichen BITE-Prozessmodellierung (Business & IT Excellence) von ITIL, Autor von ITIL V2, und Mitglied der ITIL V3-Beratergruppe.

Paul ist Mitinhaber von GamingWorks und Mitentwickler einer Reihe von Geschäftssimulationen mit den Schwerpunkten IT-Service-Management, Projektmanagement, Geschäftsprozessmanagement, Geschäfts- und IT-Ausrichtung, Allianzmanagement sowie Mitautor und Entwickler des ABC von IKT-Produkten und Veröffentlichungen.

Sie können ihm hier folgen und seine Originalartikel lesen:

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Das scheint ein sehr einfältiges Verhalten zu sein 

„Ja, aber das ist alles Sache der Manager:innen, was hat das mit den Menschen zu tun, die die Arbeit erledigen?“ 

Nun, die Menschen, die die ganze Arbeit machen, bekommen wahrscheinlich mehr Arbeit, als sie erledigen können. Das bedeutet, dass durchdachte Entscheidungen über die Arbeitsprioritäten getroffen werden müssen.  

Aber welche Arbeit liefert den meisten Wert, oder welche Arbeit reduziert Risiken? Oder welche Arbeit wird Risiken oder mehr zukünftige Kosten verursachen, wenn sie nicht erledigt wird? 

Die Menschen, die die Arbeit verrichten, müssen in der Lage sein, die richtigen Entscheidungen darüber zu treffen, was zuerst erledigt werden soll. Wenn sie das nicht können, müssen sie wie bisher an andere Stellen eskalieren, damit diese die Entscheidung für sie treffen können. Im Endeffekt wirkt das verlangsamend und nervt jede:n. 

In Zeiten von agilen Arbeitsweisen wollen viele Führungspersonen schnellere Outcomes. „Velocity“ ist das neue Wort im Modewort-Bingo, was einer der Gründe ist, warum die agile Welt sich darüber beschwert, dass ITIL Dinge verlangsamt. Je schneller wir die richtigen Entscheidungen treffen können, desto besser.  

Die Wichtigkeit der Entscheidungsfindung wurde auch im Forbes Artikel The Netflix Decision Making Model Is Why They Are So Successful  bestätigt. Ihre wünschenswerten Verhaltensweisen sind von einer Reihe von Unternehmenswerten motiviert. Der erste Wert ist „Urteilsvermögen“, welcher die Arten der Entscheidungsfindung in Unternehmen und die damit einhergehenden erwarteten Verhaltensweisen aufzeigt.“ Besonders bemerkenswert ist, dass Netflix seine Mitarbeiter:innen dazu ermutigt, „weise Entscheidungen trotz Ambiguität zu treffen“. 

„…Hmmda ist dieses Wort „Urteilsvermögen“ schon wieder, und „Mitarbeiter:innen“ – die Leute, die die Arbeit machen.“ 

Das Fazit: Um durchdachte Entscheidungen zu treffen, ist es gut für jede:n, über den Wert, den Outcome, die Kosten und die Risiken Bescheid zu wissen, die mit diesen Entscheidungen einhergehen.  

Etwas zum Nachdenken 

Wenn Sie bereits ITIL 4 „machen“  im Sinne vom Lesen des Buchs, der Erlangung eines Zertifikats,  des Nachdenkens über die nächsten Schritte oder des Wartens auf das nächste Set von Lernsoftware und Zertifikaten vor dem eigentlichen „machen“ – dann hängen Sie sich bitte das Servicewertsystem (Service Value System, SVS) Modell an die Wand und schauen es sich für fünf Minuten an.  

Lassen Sie es WIRKLICH in Ihr Bewusstsein dringen. Denken Sie darüber nach.

Und dann, wenn Menschen vorbeigehen und Sie fragen: „Was ist das?“ – können Sie darüber diskutieren.  

Antworten Sie, indem Sie fragen: „Was ist der wichtigste Aspekt in diesem ModellLassen Sie sie darüber nachdenken. Das bringt viele verschiedene Antworten mit sich! Sehr oft antworten ITSM Anwender:innen mit „Praktiken“ oder „Service Value Chain“.  

“Kommt der WERT nicht heraus?” 

Eines der Grundprinzipien (in der äußeren Schicht des SVS Modells) ist „Wertorientierung“ – daraus ergibt sich sofort die Frage „Was ist Wert?“ und führt zu einem Dialog – „Was ist Wert, und Wert für wen? 

Wenn wir nicht wissen, welcher Wert am Ende dieses Modells herauskommt, wie können wir dann wissen, dass wir die richtigen Dinge tun? 

Eines ist sicher: Wir haben uns in den letzten zig Jahren nicht wirklich auf den Wert fokussiertda das IMMER NOCH eine der relevantesten ABC Karten (Attitude, Behavior, Culture) in den globalen Workshops von GamingWorks und GamingWorks Partnern ist! 

der passende Kurs zu diesem Thema:

Alle Grundlagenbegriffe, damit Sie vom Gleichen sprechen wie Ihre Kolleg:innen.

„Wie sollen wir wissen, was Wert ist? 

Das führt uns zur nächsten Ebene im ITIL 4 SVS Modell – GovernanceDie Governance Ebene muss sicherstellen, dass der Wert bekannt ist und erreicht wird. Sie legt auch die Leitschienen darüber fest, was zu tun ist, wenn in Konflikt stehende Werte in dem Wertschöpfungskettendings in der Mitte um Ressourcen konkurrieren  

Governance muss sicherstellen, dass eine große Anzahl von Anforderungen/Möglichkeiten, die von links kommen (vom SVS), priorisiert werden, damit der richtige Wert auf der anderen Seite herauskommt. Und heutzutage soll das scheinbar so schnell wie möglich passieren. Das bedeutet, dass Governance schnelle Entscheidungsfindung in Bezug auf die Prioritätensetzung basierend auf dem Wert sicherstellen muss. (Wenn Sie ein:e ITIL Expert:in sind und denken, dass das Unsinn istdann sehen Sie sich bitte die abschließenden Anmerkungen“ unten hinsichtlich eines Auszugs der Governance Verantwortlichkeiten von ITIL 4  an.) 

Wie auch immer, unten ist eine relevante Karte von ABC Workshops mit Bezug zu Business Verhalten:  

Das macht es sehr schwierig, sicherzustellen, dass der richtige Wert am Ende herauskommt (am Ende des SVS). Besonders, wenn alle Manager:innen der betroffenen Organisationseinheiten und User:innen darauf bestehen, dass alles höchste Priorität hat.  

Das ist sogar schlimmer, wenn Sie das folgende Statement betrachten:  

Ein Artikel der Sloan Management Review mit dem Titel „Niemand kennt Ihre Strategie – nicht einmal Ihre Top-Führungskräfte“ (Originaltitel: „No One Knows Your Strategy – Not Even Your Top Leaders“):  zeigte folgendes auf: “Nur ein Viertel der befragten Manager:innen konnte drei der fünf strategischen Prioritäten des Unternehmens auflisten. Was noch schlimmer ist, ein Drittel der Führungskräfte, die die Unternehmensstrategie implementieren sollten, konnte nicht einmal eine nennen.“ Und das sind dieselben Führungskräfte, die darauf bestehen, dass all ihre Forderungen an die IT höchste Priorität haben! 

Das hört sich für mich wie ein guter Fall für ein bisschen Governance an. Anders gefragt, wie können wir sicherstellen, dass der richtige Wert herauskommt? Und Governance nicht zu betreibenscheint nicht sehr klug zu sein. Seien Sie kein ITIL 4 Dummie 

Das Wertschöpfungskettendings in der Mitte 

Nehmen wir nun an, dass wir das Wert-Thema geklärt haben. Das bedeutet nun, dass alle Stakeholder in diesem „Wertschöpfungskettendings in der Mitte“ auf diese geteilten Ziele hinarbeiten müssen. Das heißt Kollaboration  aber wie SIEHT effektive Kollaboration AUS? 

Nun, wir haben bisher keine wirklich gute Arbeit diesbezüglich in den letzten zig Jahren geleistet. Kollaboration kann durch „throwing it over the wall“ charakterisiert werdenDas bezieht sich auf Kommunikation, die mehr auf „Zuhören, um eine Antwort zu geben“ als auf „Zuhören, um zu verstehen“ basiert und von vielen „Ja, abers“ und Annahmen begleitet wird! 

Noch einmal, Kollaboration ist eine der ITIL 4 Grundprinzipien in der äußeren Schicht des SVS – das weist darauf hin, dass sie wahrscheinlich wichtig ist. Aber wie viele Menschen haben darüber nachgedacht, „welche Verhaltensweisen wir sehen werden, die demonstrieren, dass wir effektiv kollaborieren?“

„…Hmm, wir haben nicht wirklich darüber nachgedacht!“ Ich spüre die Anwesenheit von ITIL 4 Dummies.  

Machen Sie mehr mit weniger! 

Was gibt es noch in der äußeren Schicht (des ITIL SVS)? 

Es ist eine Tatsache, dass das Geschäft immer mehr wertschöpfende Arbeit verlangt (im Sinne der Definition eines Service bedeutet das in erster Linie einen Wert- und Ergebnis-Teil)Sie jammern jedoch immer darüber, dass wir nicht genug von dieser Arbeit erledigen können. Wir sind zu sehr damit beschäftigt, eine Menge nicht-wertschöpfender Arbeiten zu erledigen, wie z.B. die Bearbeitung von Incidents, manuelle Arbeiten, Nachbearbeitungen (im Sinne der Definition eines Service stellt dies vergeudete Kosten dar und bringt Geschäftsrisiken mit sich). Viel dieser Arbeit ist tatsächlich „Wertverlust“ – zum Beispiel Probleme, die immer wieder Ausfälle verursachen, die den Wert beeinträchtigen können (z.B. Kund:innenzufriedenheit und/oder Produktivitätsverlust).  

Wir verbringen mehr Zeit damit, dieselben Incidents immer wieder zu lösen, ohne die zugrundeliegenden technischen, oder auch sehr oft verhaltensbezogenen Gründe zu adressieren. Das führt dazu, dass die Probleme weiter in die Zukunft verschoben werden. Die Gründe für die Fehler kommen oft von Design und Transition Aktivitäten und verursachen immer mehr Incidents, Nachbearbeitungen, etc.  

Der Trick ist, wie können wir MEHR Wert kreieren und WENIGER Wertverlust erreichen? 

Das bringt uns zu dem unteren Teil der äußeren Schicht (des SVS) – Kontinuierliche Verbesserung 

Sind wir denn so sehr damit beschäftigt, mit der wachsenden Menge an geschäftlichen Anforderungen und Möglichkeiten umzugehen, die ALLE höchste Priorität haben, dass wir der Verbesserungsarbeit keine Priorität einräumen?  

Wir denken weiterhin, dass Verbesserungen große ITIL Implementierungsprojekte sind, die lange dauern und nicht den erhofften Wert liefern! Nochmal, eines der Leitprinzipien ist „Iterative Weiterentwicklung mit Feedback“Machen Sie die Verbesserung Ihrer Arbeit zu einem Teil Ihrer Arbeit und erhalten Sie direktes Feedback darüber, ob die Verbesserung auch wirklich etwas verbessert hat – vorzugsweise verbunden mit einer Art von Wert, Outcome, Kosten oder Risiken (Oh nein, redet er jetzt etwa schon wieder von diesen Dingen!?) 

Was verbessern wir und wie priorisieren wir die Verbesserungen? Das ist der Teil über die Praktiken im SVS. Ich werde darauf nicht näher eingehen, da ITILMenschen all diese Dinge normalerweise verstehen. Aber was werden wir priorisieren? Nun, hier spielt wieder Governance eine Rolle.  

Wie es im ITIL 4 Governance Teil heißt: „… Das Führungsgremium sollte auch die Outcomes der Aktivitäten bezüglich der kontinuierlichen Verbesserung und die Messung des Wertes für die Organisation sichtbar machen…“ Das bringt uns zurück zum Anfang – wir starren auf das SVS Modell und können bestätigen, dass der wichtigste Teil der Wert ist, der am Ende herauskommt. 

Ich überlasse Ihnen die Schlussfolgerung darüber, wer in IHRER Organisation die ITIL 4 Dummies sind. 

ITIL 4 Dummies, abschließende Anmerkungen 

Hier sind einige Ausschnitte des Governance-bezogenen Texts des ITIL 4 Foundation Buches, die viele meiner oben ausgeführten Argumente unterstützen:  

  • ITIL 4 Governance – „… eine Person oder Gruppe von Menschen, die auf der höchsten Ebene für die PERFORMANCE und die Konformität der Organisation verantwortlich sind“ 
  • ITIL 4 Direct – „… Strategien bestimmen die Richtung und PRIORISIERUNG für organisationsbezogene Aktivitäten 
  • ITIL 4 Monitor – „…überwacht die PERFORMANCE der Organisation… um sicherzustellen, dass die PERFORMANCE im Einklang mit den Policies und der Ausrichtung ist.  
  • den Überblick bewahren…um die Übereinstimmung mit den Zielsetzungen und PRIORITÄTEN der Organisation sicherzustellen 
  • Das Führungsgremium sollte auch Einsicht in die Outcomes der Aktivitäten bezüglich der kontinuierlichen Verbesserung und in die Wertmessung für die Organisation haben… 

This article was originally published in English on ITSM.tools.